
Am 29. Januar 2024 habe ich dem Stadtrat ein paar Fragen gestellt zur unnötigen und vor allem kontraproduktiven Aktion mit Moblity-Gutscheinen. Kontraproduktiv deshalb, weil man mathematisch schlüssig zeigen kann, dass diese Aktion garantiert nicht zu einer Reduktion des motorisierten Verkehrs führt; und mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit wird auch der CO2-Ausstoss nicht reduziert. Unnötig deshalb, weil damit jeder von der Stadt für diese Aktion ausgegebene Franken pure Verschwendung ist. Der Beweis ist hier geführt.
Der Stadtrat hat nun eine Antwort geliefert, und man fühlt sich beim Lesen zurückversetzt in die Corona-Zeit, als der Staat so ziemlich jede Behauptung — egal wie abstrus — mit einem Verweis auf «wissenschaftliche Studien» oder sog. «Experten» begründet hat. So liest man in der Antwort des Stadtrats: Wissenschaftliche Studien belegen aber, dass ein Carsharing-Auto durchschnittlich elf Privatautos ersetzt, wodurch der Fahrzeugbestand und der motorisierte Individualverkehr (MIV) reduziert werden können. Indem Carsharing-Nutzende vermehrt auf eigene Autos verzichten und überwiegend auf den öffentlichen Verkehr setzen, werden insgesamt weniger Treibhausgase ausgestossen.
Kann man glauben, oder auch nicht. Wertvoll wäre es gewesen, wenn die Verfasser der Antwort («Stadtentwicklung») wenigstens die Referenzen auf diese wissenschaftlichen Studien geliefert hätten, aber solcher Luxus ist im Basispaket, bei dem für eine schludrige Antwort nur 475 Franken verrechnet werden, natürlich nicht eingeschlossen. Wir werden abgespiesen mit unbelegten Behauptungen und sollen unbesehen glauben, was da von oben herab verzapft wird. Bemüht man dann eine der üblichen Suchmaschinen, so lassen sich per Knopfdruck viele «Studien» finden, wobei rasch klar wird, dass die sog. «wissenschaftlichen» Erkenntnisse vor allem davon abhängen, wer die Studie finanziert hat.
Schränkt man das Suchergebnis etwas ein und konzentriert man sich auf solche Studien, die nicht schon von einem Primarschüler als Propaganda erkannt werden, so wird rasch klar, dass der vom Stadtrat behauptete Effekt bisher nirgends empirisch nachgewiesen werden konnte (eine gute Übersicht findet sich hier, inkl. Verweise auf die diversen Paper - falls der Link nicht funktionieren sollte, so gibt es hier eine archivierte Seite). Die Zusammenfassung ist ernüchternd: Zwei kürzlich erschienene wissenschaftliche Veröffentlichungen widmen sich den verkehrlichen Wirkungen von Carsharing. Sie ergänzen das grössere Bild, das derzeit trotz der jahrzehntelangen Existenz von Carsharingangeboten weiterhin relativ unvollständig ist. In den Untersuchungen konnte kein statistisch signifikanter Effekt von Carsharing auf den Pkw-Besitz, eine intensivere Nutzung nachhaltiger Mobilitätsoptionen oder einem multimodalen Verkehrsverhalten nachgewiesen werden..
Die vom Stadtrat behaupteten positiven Effekte basieren also einzig auf sog. Modellrechnungen. Allfällig gemessene Effekte sind statistisch nicht signifikant oder zeigen gar in die falsche Richtung. Erinnert einen sehr an die Corona-Propaganda für die Gentherapie: Sicher und 95% Schutz vor Ansteckung. Solcher Unsinn wurde damals ebenfalls von «Experten» behauptet, und zwar immer mit Verweis auf «wissenschaftliche Studien».
Was ist nun von den Kosten zu halten, welche vom Stadtrat mit CHF 3'328.44 (für Druck und Versand der Flyer), einem Arbeitsaufwand von sieben Stunden und dann einer «sehr vorteilhaften Pauschale im tiefen fünfstelligen Bereich» beziffert wird? Erstens sind die städtischen Angestellten unglaublich effizient (nur sieben Stunden Einsatz für eine solche Kampagne ist definitiv eindrücklich) und zweitens muss man froh sein, dass die Sache (vermutlich) nur 20'000 Stutz kostet. Es gibt doch weitaus kostspieligere Projekte, die ebenfalls keinerlei Nutzen entwickeln für uns Aarauerinnen und Aarauer. Sicher profitiert von der ganzen Übung hat Mobility. Es ist immer schön, wenn jemand anders bezahlt für Werbung...
PS: Falls es jemanden interessiert: Ich habe den Mobility-Gutschein nicht eingelöst, sondern im Altpapier entsorgt.