Stadt-Propaganda wie zu Corona-Zeiten

07.05.2024@12:07
Fahrt in den Nebel

Am 29. Januar 2024 habe ich dem Stadt­rat ein paar Fragen ge­stellt zur un­nötigen und vor allem kontra­pro­duk­tiven Aktion mit Moblity-Gut­scheinen. Kontra­pro­duk­tiv des­halb, weil man mathe­matisch schlüssig zeigen kann, dass diese Aktion garan­tiert nicht zu einer Re­duk­tion des moto­ri­sierten Verkehrs führt; und mit sehr grosser Wahr­schein­lich­keit wird auch der CO2-Ausstoss nicht reduziert. Unnötig deshalb, weil damit jeder von der Stadt für diese Aktion aus­ge­gebene Franken pure Ver­schwen­dung ist. Der Beweis ist hier geführt.

Der Stadt­rat hat nun eine Ant­wort ge­liefert, und man fühlt sich beim Lesen zurück­ver­setzt in die Corona-Zeit, als der Staat so ziem­lich jede Be­haup­tung — egal wie abstrus — mit einem Ver­weis auf «wissen­schaft­liche Studien» oder sog. «Experten» be­gründet hat. So liest man in der Ant­wort des Stadt­rats: Wissen­schaft­liche Studien be­legen aber, dass ein Car­sharing-Auto durch­schnitt­lich elf Privat­autos er­setzt, wo­durch der Fahr­zeug­bestand und der moto­ri­sierte Individual­verkehr (MIV) re­du­ziert werden können. Indem Car­sharing-Nutzende ver­mehrt auf eigene Autos ver­zichten und über­wiegend auf den öffent­lichen Ver­kehr setzen, werden ins­gesamt weniger Treib­haus­gase aus­ge­stossen.

Kann man glauben, oder auch nicht. Wert­voll wäre es gewesen, wenn die Ver­fasser der Ant­wort («Stadt­entwicklung») wenigstens die Referenzen auf diese wissen­schaftlichen Studien geliefert hätten, aber solcher Luxus ist im Basis­paket, bei dem für eine schludrige Ant­wort nur 475 Franken ver­rechnet werden, natür­lich nicht ein­ge­schlossen. Wir werden abge­spiesen mit unbe­legten Behauptungen und sollen unbe­sehen glauben, was da von oben herab ver­zapft wird. Bemüht man dann eine der üblichen Such­maschinen, so lassen sich per Knopf­druck viele «Studien» finden, wobei rasch klar wird, dass die sog. «wissen­schaft­lichen» Erkenntnisse vor allem davon abhängen, wer die Studie finanziert hat.

Schränkt man das Such­ergebnis etwas ein und konzentriert man sich auf solche Studien, die nicht schon von einem Primar­schüler als Propaganda erkannt werden, so wird rasch klar, dass der vom Stadt­rat behauptete Effekt bisher nirgends empirisch nach­gewiesen werden konnte (eine gute Übersicht findet sich hier, inkl. Ver­weise auf die diversen Paper - falls der Link nicht funktio­nieren sollte, so gibt es hier eine archi­vierte Seite). Die Zusammen­fassung ist ernüchternd: Zwei kürz­lich erschienene wissen­schaftliche Ver­öffent­lichungen widmen sich den verkehr­lichen Wirkungen von Car­sharing. Sie ergänzen das grössere Bild, das der­zeit trotz der jahr­zehnte­langen Existenz von Car­sharing­an­geboten weiter­hin relativ un­voll­ständig ist. In den Unter­suchungen konnte kein statistisch signi­fikanter Effekt von Car­sharing auf den Pkw-Besitz, eine inten­sivere Nutzung nach­haltiger Mobilitäts­optionen oder einem multi­modalen Verkehrs­verhalten nach­gewiesen werden..

Die vom Stadt­rat behaupteten posi­tiven Effekte basieren also einzig auf sog. Modell­rechnungen. All­fällig gemessene Effekte sind statistisch nicht signi­fikant oder zeigen gar in die falsche Richtung. Erinnert einen sehr an die Corona-Propa­ganda für die Gen­therapie: Sicher und 95% Schutz vor Ansteckung. Solcher Un­sinn wurde damals eben­falls von «Experten» behauptet, und zwar immer mit Ver­weis auf «wissen­schaft­liche Studien».

Was ist nun von den Kosten zu halten, welche vom Stadtrat mit CHF 3'328.44 (für Druck und Versand der Flyer), einem Arbeitsaufwand von sieben Stunden und dann einer «sehr vorteilhaften Pauschale im tiefen fünfstelligen Bereich» beziffert wird? Erstens sind die städtischen Angestellten unglaublich effizient (nur sieben Stunden Einsatz für eine solche Kampagne ist definitiv eindrücklich) und zweitens muss man froh sein, dass die Sache (vermutlich) nur 20'000 Stutz kostet. Es gibt doch weitaus kostspieligere Projekte, die ebenfalls keinerlei Nutzen entwickeln für uns Aarauerinnen und Aarauer. Sicher profitiert von der ganzen Übung hat Mobility. Es ist immer schön, wenn jemand anders bezahlt für Werbung...



PS: Falls es jemanden interessiert: Ich habe den Mobility-Gutschein nicht eingelöst, sondern im Altpapier entsorgt.