Mittlerweile wird intensiv über die in der Telli geplante Mammut-Schule diskutiert. Das ist auch gut so. Die Leute sind aufgewacht und haben realisiert, was die Vordenker der Kreisschule Aarau-Buchs uns aufzwingen wollen. Kreisschulrätin Nicole Burger hat es treffend formuliert: «Wenige befehlen, alle zahlen.»
Deutlich weniger aufgeregt ist die Diskussion über den sogenannten «Landabtausch», eine komplexe Transaktion zwischen der Ortsbürgergemeinde Aarau (OBG), der Einwohnergemeinde (EWG) und dem Kanton Aargau. Das Wort «Tausch» suggeriert, dass man freiwillig etwas gibt und dann im Gegenzug etwas bekommt, das (mindestens subjektiv) gleich viel oder mehr wert ist als das, was man gegeben hat. Aus Sicht der Ortsbürgerinnen und Ortsbürger ist davon aber rein gar nichts zu sehen, im Gegenteil: Die OBG soll über den Tisch gezogen werden, und zwar nach Strich und Faden. Der Gesamtschaden dürfte sich für die OBG auf bis zu 30 Millionen Franken belaufen!
Am besten analysiert man eine solche Transaktion, indem man sie in überschaubare Einzelkompenenten zerlegt. Ich mache das hier am Beispiel der Parzellen 849, 850 und 851 in der Telli. Aktuell gehören die Parzellen 850 und 851 sowie das Hallenbad und die Turnhallen, die auf diesen Parzellen stehen, dem Kanton Aargau. Die Parzelle 849 (Sportplatz Telli) befindet sich im Besitz der OBG, steht dank Baurecht dem Kanton aber bis ins Jahr 2052 zur Verfügung. Der OBG fliessen dank dieser Baurechtsvergabe jedes Jahr ansehnliche Zinszahlungen zu. Soweit die Ausgangslage.
Bevor wir in die Niederungen der Transaktion steigen, lohnt es sich noch festzuhalten, wer an der aktuellen Situation überhaupt etwas ändern will. Es ist bekannt, dass der Kanton das marode Hallenbad abstossen will, und zwar schon seit Jahren. Weiter will der Kanton seine Sportanlage näher zur Alten Kanti bringen (kürzere Wege für die Schülerinnen und Schüler, der Kanton ist schon Landbesitzer im Areal Rössliguet/Zeughaus). Aus Sicht Kanton sind in der Telli alle Wünsche erfüllt mit dem «Landabtausch»: Er verkauft die Parzellen 850 und 851 samt Hallenbad und Sporthallen, und er kann vorzeitig aus dem Baurechtsvertrag für die Parzelle 849 (Sportplatz Telli) aussteigen. Die Verantwortlichen des Kantons haben aber auch mehrmals bestätigt, dass der Landabtausch kein Killerkriterium ist für die Umsetzung der kantonalen Vorhaben. Es geht nachweislich auch ohne!
Die EWG plant, auf dem Telli-Sportplatz, also auf der grünen Wiese, das Oberstufen-Zentrum Telli für 1'200+ Schülerinnen und Schüler zu errichten. Die Oberen der Kleinstadt Aarau planen damit einen echten Schweizer Rekord, der - gemäss Umfragen - von einer grossen Mehrheit der Aarauer Bevölkerung gar nicht goutiert wird. Mit den heute schweizweit üblichen Grobschätzungen (CHF 4 Mio. pro Abteilung oder CHF 100 Mio. pro 33 Abteilungen inkl. Dreifachturnhalle) kann man überschlagsmässig berechnen, dass die Stadt mindestens 200 Millionen Franken in dieses Projekt stecken wird (die von der Stadt verbreitete «Schätzung» von 145 Millionen inkl. Mensa ist reine Propaganda); die «Mammut-Schule» ist das mit grossem Abstand teuerste Bauprojekt, das die Stadt Aarau je geplant hat. Klar ist in jedem Falle, dass die Stadt Aarau das Land in der Telli unbedingt will, am liebsten natürlich zum Nulltarif. Mit jedem Franken, den die Stadt für das Land ausgeben muss, steigen nämlich auch die Kosten für die Oberstufen-Schulanlage (Beispiel: Kann die Stadt der OBG den Schaden von 30 Millionen nicht aufbürden, so steigen die Kosten für die Mammut-Schule trotz absurd tiefer Baukostenschätzung der Stadt von 145 Millionen auf satte 175 Millionen). Äusserst geschickt hat der Stadtrat deshalb eine komplexe Transaktion zwischen Kanton, Stadt und OBG eingefädelt, bei der die OBG als mit Abstand schwächste Partei über den Tisch gezogen werden soll. Resultat ist, dass aus Sicht EWG in der Telli alle Wünsche erfüllt werden mit dem «Landabtausch».
Wer diese Tatsachen kennt, dem leuchtet sofort ein, dass Kanton und Stadt dieses Pseudo-Tauschgeschäft lieben. Aber wie sieht es nun für die Ortsbürgerinnen und Ortsbürger aus? Schauen wir mal etwas genauer hin! Der «Tausch», der gar keiner ist, soll nämlich wie folgt ablaufen:
- Der Kanton verkauft der OBG die Parzellen 850 und 851 samt den Gebäuden auf diesen beiden Parzellen, wobei die OBG die Gebäude sofort weiterverkauft an die EWG, und zwar zum exakt gleichen Preis, den sie dem Kanton zu bezahlen hat. In einer Netto-Betrachtung sieht es also wie folgt aus: Die OBG kauft dem Kanton das Land der Parzellen 850 und 851 ab, und zwar zu einem Preis von knapp mehr als CHF 5 Mio. (der exakte Betrag ist CHF 5'019'300).
- Die OBG muss der EWG auf diesen beiden Parzellen 850 und 851 für 100 Jahre ein unentgeltliches Baurecht gewähren.
- Der Kanton steigt vorzeitig (2026 statt 2052) aus dem Baurechtsvertrag mit der OBG aus. Die EWG will der OBG zwar eine Kompensationszahlung leisten für entgangene Baurechtszinsen, die vorgesehene Zahlung ist aber völlig unzureichend: Steigende Landpreise und die Normalisierung des Zinsumfelds werden komplett ausser Acht gelassen! Unverständlich ist zudem, dass die OBG für die Baurechtszinsen, die ihr in den 74 Jahren von 2053 bis 2126 entgehen werden, keinerlei Entschädigung bekommt.
- Die OBG muss der EWG auch auf der Parzelle 849 für 100 Jahre ein unentgeltliches Baurecht gewähren.
Da ist also aus Sicht der OBG nichts mehr zu sehen von einem Tausch, und fair ist diese Transaktion aus Sicht der OBG ganz sicher nicht. De facto muss die OBG die beiden Parzellen 850 und 851 auf Kredit kaufen, um sie anschliessend der EWG für die nächsten 100 Jahre völlig unentgeltlich zu überlassen. Auslagen für Zinszahlungen für ein Darlehen über CHF 5 Mio., der keinerlei Erträge gegenüberstehen, bedeuten für die OBG Verluste von bis zu CHF 10 Mio. bis zum Ende der Laufzeit im Jahre 2126. Wer bis hierher alles verstanden hat, der muss sich fragen: Wieso erwirbt die Stadt das Land eigentlich nicht direkt vom Kanton? Einerseits würde sich die Komplexität der Transaktion reduzieren, andererseits wäre die OBG bei den Parzellen 850 und 851 gar nicht involviert und könnte damit auch keinen Verlust erleiden! Aufgrund der vorliegenden Informationen muss man davon ausgehen, dass die Komplexität gewollt ist (Verschleierung der ökonomisch relevanten Vorgänge) und die Schädigung der OBG mindestens geduldet wird, wenn nicht gar beabsichtigt ist. Klar ist: Gewisse Leute im Stadtrat haben massive Interessen- und Loyalitätskonflikte. Das manifestiert sich z.B. dort, wo die exakt gleichen Personen sowohl für die EWG als auch für die OBG unterschreiben. Und als Mitglied des Grossen Rats sollte man ja obendrein auch noch die Interessen des Kantons vertreten. Weltmeister im «Hut Wechseln»! Für Selberdenker ist aber glasklar: Nicht alles, was von Gesetzes wegen erlaubt ist, ist sinnvoll oder moralisch vertretbar.
Auf der Parzelle 849 sieht es noch schlimmer aus: Abgesehen von einer völlig ungenügenden Kompensationszahlung für die vorzeitige Beendigung des Baurechtsvertrags mit dem Kanton, gibt es nach dem «Landabtausch» auf der Parzelle 849 anstelle von sicheren Zinszahlungen vom Kanton absolut keine Erträge für die OBG bis in Jahr 2126. Dabei ist völlig klar, dass die OBG dieses Land nach Beendigung/Ablauf des Vertrags mit dem Kanton problemlos einer Drittpartei im Baurecht abgeben könnte, die wieder einen anständigen Baurechtszins bezahlen würde. De facto werden sich die Ertragsausfälle aus dem unentgeltlichen Baurecht an die EWG für die Parzelle 849 für die OBG bis ins Jahr 2126 auf bis zu CHF 20 Mio. aufsummieren.
Der Gesamtschaden in der Telli (Verlust von CHF 10 Mio. mit den Parzellen 850 und 851 plus Ertragsminderungen von CHF 20 Mio. auf Parzelle 849) wird sich für die OBG auf bis zu 30 Millionen Franken belaufen.
Deshalb:
Das ist es also, was der Stadtrat unter einem «fairen Tausch» versteht... Es ist natürlich abzusehen, dass gewisse Leute behaupten werden, es sei doch völlig in Ordnung, wenn die OBG die von der EWG geplante Mammut-Schule ein wenig subventioniert. Es geht ja schliesslich um das «öffentliche Interesse»! Genau diese Leute sollten sich aber die folgende Frage stellen: Ist es ebenfalls im «öffentlichen Interesse», wenn die OBG in ihren Liegenschaften die Mieten drastisch erhöhen oder die Baurechtszinsen für andere Parzellen massiv anheben muss, damit sie den Schaden decken kann, der ihr mit den unsäglichen Landgeschäften in der Telli während der nächsten 100 Jahre entstehen wird? Es ist nun mal eine Tatsache, dass man jeden Franken nur 1x ausgeben kann, resp. jeder Franken, der zur Subvention der Mammut-Schule eingesetzt wird, muss zuerst an anderer Stelle verdient werden. Es lohnt sich schon, darüber ein wenig nachzudenken!
PS: In der Privatwirtschaft wäre mit der Durchführung einer solchen Transaktion der Tatbestand «ungetreue Geschäftsführung» mit grosser Wahrscheinlichkeit erfüllt; die Verantwortlichen müssten sogar mit einer Freiheitsstrafe rechnen. Offenbar gelten im Umfeld der Stadt Aarau andere Regeln — wenigstens für gewisse Leute — obwohl auch hier die Gesetzeslage glasklar ist. Im Gesetz über die Ortsbürgergemeinden (OBGG) steht unter §2 nämlich klar und deutlich:
Die Ortsbürgergemeinden haben in erster Linie die Aufgabe der Erhaltung und der guten Verwaltung ihres Vermögens (Grundstücke, Stiftungen, Kapitalien usw.).